Home Lockwoods/Pierce

Dass Emma tanzen konnte, das wusste er doch. Er kannte sie schon zwei Jahrhunderte und hatte es schon damals vage mitbekommen, schließlich hatten sie einmal gemeinsam getanzt. Aber er wusste nichts über ihre Vorliebe zu gewissen Tänzen und manchmal konnte selbst das kleinste Detail eine Beziehung auffrischen. „Ach, hat man? Dann lassen Sie Sich doch überraschen, Fräulein Pierce.“ Damien begann zu lachen, was aber keineswegs seine Bewegungen stoppte. Ganz im Gegenteil. Fast ein wenig neckend schmiegte er sich mit der Brust an ihren Rücke und zog ihre Hüften so dicht zu sich, bis sie beinahe Eins waren. Völlig im Einklang mit den Bewegungen, Kopf an Kopf, sogar ihre Atemzüge begannen sich zu vermischen. Damien liebte diese Momente des völligen Einklangs. Sie kamen nicht mehr oft vor, deswegen genoss er sie mit jeder Faser seines Körpers.
„Ach, soll ich es noch einmal sagen?“ Mit einer einzigen Umdrehung stand der Dunkelhaarige wieder vor seine Freundin. Seine Hände waren überall auf ihrem Körper, so stürmisch waren seine Bewegungen. So viel Spaß hatten Vampire selten, aber dieses enge Tanzen weckte selbst in ihm Lebensgeister. Vielleicht sollten sie einen Kurs belegen (bei dem sie natürlich nichts mehr lernen konnten, Vampirding und so) oder zumindest anfangen öfter auszugehen, was sie auch schleifen lassen hatten.
„Na, wer ist den Loverboy?“, fragte er ein weiteres Mal und als Damien diesmal die Mundwinkel hob sah man die spitzen Eckzähne hervor blitzen. Was würde er dafür geben um jetzt von irgendeinem Menschen Blut zu ergattern. Früher hatten er und Emma das gemacht vor einhundertfünfzig Jahren. Gemeinsam irgendeinen Idioten gesucht, womöglich noch einen, der gemordet hatte und gemeinsam von ihm getrunken. Ein Vibrieren ging durch seine Brust, als er tief einatmete.

Oh ja … Emma hatte sich nie etwas leisten können. Das Geld war damals ziemlich knapp gewesen, doch Damien hatte ziemlich viel gehabt. Er war der geborene Geschäftsmann, wenn er sich ins Zeug legte und den Bereich fand, in dem er etwas tun wollte. Damals war es so gewesen. Er hatte gut mit Tod verdient und kurzzeitig für ein paar Jahre ein Bestattungsunternehmen geleitet. Das war dann mit seinem plötzlichen Verschwinden aber nieder gebrannt und man hatte gedacht Damien wäre den Flammen erlegen. Blöd, dass er das Haus selbst angezündet hatte. „Darüber habe ich auch schon nach gedacht.“ Der Ältere wurde von seinen Erinnerungen an die Vergangenheit zurück geholt ins Hier und Jetzt und seine Gedanken schweiften ein weiteres Mal zu der Idee mit dem Tanzkurs. „Und ich finde das gar nicht so schlecht. Vielleicht sollten wir das machen, auch wenn wir natürlich die Meister darin werden. Salsa, Discofox, Tango …“ Ein Schnurren entglitt seiner Kehle als Emma ihre Hände in seinen Nacken legte und automatisch strich er über ihren Rücken und zog sie an sich. So schnell und wild seine Bewegungen zuvor gewesen waren, so langsam waren sie jetzt. Immer fortwährende Schritte zur Seite, hin und zurück, ein sanftes Schaukeln zu der ruhigen Musik.
Damien lachte leise, dann nahm er ihr Gesicht in beide Hände und zog sie zu sich. Ihre Lippen berührten sich beim Reden nur ganz zart, gerade spürbar für einen Vampir. „Vielleicht sollten wir so langweiligen Pärchenkram wirklich machen. Könnte uns etwas menschlicher wirken lassen.“ Seine Eckzähne strichen über ihre Unterlippe, hinterließen das leise Echo eines Kribbelns auf seiner Zunge. „Vielleicht sollten wir zusammen im Park spazieren gehen … oder im Sommer Eis essen … oder Eislaufen gehen. Diese ganzen, viel zu menschlichen Sachen.“ Wieder ein Lachen. Damien hob den Arm, um Emma darunter hinweg zu drehen.

„Salsa? Ehrlich? Das wusste ich gar nicht.“ Damien zog die Brauen hinunter und blickte seine Frau fragend an, aber so verträumt wie der Ausdruck in ihren Augen war mochte sie diese Tänze wirklich sehr gerne. Ein weiterer Grund, um es wirklich zu machen, auch wenn es sich nicht so anfühlte als wäre das er. Früher war der Dunkelhaarige ganz anders gewesen, hatte nur so vor Tatendrag und Selbstverliebtheit gestrotzt. Jetzt wurde er zum ultimativen Beziehungsmenschen, der sich kaum mehr schick machte und gänzlich von menschlichen, lebenden Quellen abgesehen hatte. Schöne … oder nein, eher unschöne Entwicklungen, aber es ließ sich nicht vermeiden.
„Was die anderen denken kann uns doch egal sein. Wenn es nach dem geht dann dürfte ich mich nicht einmal mehr auf die Straße trauen, so weich und ekelig bin ich schon geworden. Vor ein paar Jahren haben sie sich noch gefürchtet – jetzt klopfen sie mir auf die Schulter und nennen mich ‚Alter‘ … kannst du dir das vorstellen? Ich noch immer nicht.“ Damien knirschte hörbar mit den Zähnen. Man konnte anhand seiner Bewegungen beim Tanzen ziemlich gut erkennen wie er sich gerade fühlte, denn sobald seine Worte ausgesprochen waren wurden sie wieder schneller und kantiger. Es war so ungewohnt darüber zu sprechen wie man sich veränderte, wenn man sesshaft wurde. Von Emmas plötzlichem Stillstand irritiert stolperte Damien beinahe über ihre Beine. „Was?“ Im ersten Moment wusste er nicht ob er darüber lachen sollte, denn er hielt es für einen Scherz. Aber es war keine. Sie meinte es absolut ernst. “Emma nein, das geht nicht. Ich mein, ich würde schon gerne … aber damals war das doch ganz anders. Da gab es noch was zu jagen. Das gibt es jetzt nicht mehr. Du kannst nicht einfach raus gehen und dir irgendeinen Menschen schnappen.“ Auch der Ältere verharrte in seiner Bewegung, er runzelte lediglich die Stirn.

Damien runzelte die Stirn. Er verstand nicht so ganz, was Emma damit jetzt bewirken wollte. Jagen? Und das in einer Stadt wie Miles Town? In seinen Augen schier unmöglich. Natürlich gab es hier viele Menschen, aber seit seiner letzten, richtigen Jagd waren gute hundert Jahre vergangen. Als Vampir hatte man Spaß am Töten. Man genoss es, einen Menschen bis auf den letzten Tropfen Blut auszusaugen. Man wollte nicht nur das Blut, den köstlichen, roten Lebenssaft – man wollte auch das Leben mittrinken und es selbst im Körper pulsieren fühlen. „Emma, nein!“
Damien versteifte sich augenblicklich, doch seine Frau war schon längst irgendwo in der Wohnung verschwunden. Ein leises Seufzen entglitt seinen Lippen und er verharrte noch einen Moment in seiner Bewegung, dann schüttelte er kaum merklich den Kopf und drehte die Musik ab. Es war nicht so, dass er dagegen war von Menschen zu trinken, aber er kannte sich selbst und wenn ein Vampir der Jagd erlag dann war er nicht mehr zu stoppen. Er hatte lange an seiner Beherrschung trainieren müssen um jetzt Blut sogar ignorieren zu können, was mehr als die Hälfte der Vampire die hier waren nicht konnte. Er konnte sich konzentrieren, fokusieren ... jagen passte da überhaupt nicht in seinen Plan.
Und doch kam Emma wieder zurück, drückte ihm ein Hemd und eine Jeans in die Hand und machte ihm deutlich klar, dass er mitkommen musste, ob er wollte oder nicht. „Emma, spinnst du? Du kannst nicht einfach da raus gehen und den ersten den du siehst umbringen. Ich gehe nicht jagen. Wir können uns einen kleinen Snack holen, aber ich jage nicht. Du und ich, wir wissen beide dass wir nicht aufhören, wenn wir auf der Jagd sind.“ Die das Hellblau in seinen Augen verschwand und wurde dunkler. Der Dunkelhaarige reckte das Kinn in die Höhe. Er wusste, dass er ziemlich großen Hunger hatte, aber er würde niemanden umbringen. Damit hatte er aufgehört.

Damien wusste nicht, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte. Es überraschte ihn - nein, es schockierte ihn förmlich, wie bestialisch Emma ihm gerade begegnete. Als hätte sie Jahre darauf gewartet jemandem wieder Angst und Schrecken einzujagen, das Flehen und die Panik in den Augen zu sehen und das Blut rauschen zu hören. Während sie sich auf die Couch fallen ließ und den Kopf in den Nacken legte blieb der Dunkelhaarige stehen und verschränkte die Arme. "Ob ich es vermisse? Das ist jetzt ein Scherz, oder?" Die markanten Brauen zogen sich gefährlich langsam zusammen, was schon ein Zeichen dafür war, dass es wieder zu kriseln begann. Er verstand gerade überhaupt nichts von dem Ganzen. Natürlich zweifelte er nicht an seiner Beherrschung. Damien war nahezu ein Meister der Perfektion. Er hatte sich lange in seinem Schauspiel geübt um so zu agieren wie er es heute tat. Trotzdem empfand er diesen Gedanken gerade als äußerst abwegig - und das nicht, weil er um sich selbst fürchtete.
"Ich vermisse es nicht sonderlich, nein. Die meisten Mädchen kommen jetzt gerade weil sie gebissen werden wollen. Ich mache mir gerade eher Sorgen wegen dir ..."
Damien schloss für die Kürze eines Momentes die Augen, als sie ihre Hand an seine Wange legte, dann entfernte er sich von ihr um das Gewand auf den Tisch zu legen. "Da draußen laufen so viele Dinge herum von denen wir nichts ahnen, Emma. Kreaturen, die selbst ich noch nie gesehen habe und ich bin bedeutend älter als du. Wir können jagen gehen - aber wir töten nicht. Und bevor irgendeiner von uns beiden der Jagd verfällt stoppen wir sie. Verstanden?" Der Ältere fuhr sich mit der Hand durch die Haare, drehte sich dann zu seiner Frau um und stand wieder vor ihr. "Versprich es mir."

Die Köter, die Neuen – alles wurde momentan etwas kompliziert in Miles Town. Das kleine Städtchen war nicht mehr das, was es einmal gewesen war. De Geschichten spitzen sich zu und zogen sich immer enger zusammen. Es gab Dinge, von denen noch keiner etwas ahnte, aber die bald wohl hervor kommen würden. „Ich rede mal mit Mila. Vielleicht hat sie eine Idee. Mal sehen.“ Damien schluckte. Dann aber hörte er die Worte, auf die er so lange gewartet hatte. Noch während Emma redete legte er seine Hände an ihre Hüften und zog sie zu sich, bis sie mit dem Oberkörper gegen seinen gelehnt stand und er die arme bequem auf ihre Schultern legen konnte. Ich verspreche es dir. Der dunkelhaarige nickte zufrieden und fing ihren Blick auf. Aber auch ihre Augen wirkten ehrlich. Warum er ihr gerade so misstraut war schwierig zu sagen. Manchmal hatte er einfach das Gefühl, dass sie viel zu menschlich wurden und sich nicht mehr im Griff haben könnten. Aber genug davon. Versprochen war versprochen. Es gab keinen Grund jetzt noch darüber zu grübeln ob es passte, wenn sie sich in Schale warfen und nach draußen gingen.
Damien wandte den Blick kurz über seine Schulter zu dem Hemd und der Jeans, die auf dem Tisch ruhten als würden sie nur darauf endlich angezogen zu werden. Seine Mundwinkel zuckten zu einem Schmunzeln nach oben, bevor er wieder zu Emma sah. „Hast du nicht wenigstens Lust deinem alten Freund ein bisschen zu helfen?“, fragte er in einem recht rauen Ton und nahm eine ihrer Hände, nur um sie an den Saum seines Shirts zu legen. Als er diesmal zu lächeln begann, konnte man wieder die scharfen Fangzähne sehen, denn wenn er ehrlich war, bekam auch Damien richtig Lust auf so eine kleine Jagd.

„Parker?“ Damien verzog das Gesicht zu einer Fratze und stieß ein genervtes Seufzen aus. Er akzeptierte die Obsession seiner Cousine zu diesem Menschen, aber in all den Jahrhunderten hatte er gelernt, das einer Spezies auf der Erde nicht zu trauen war: den Menschen. „Mal sehen, was sie damit bezwecken will. Ich rede mal mit ihr. Aber zuerst …“ Die Lippen des Dunkelhaarigen schlossen sich wieder, den seine Frau stimmte nur zu gerne zu ihm ein wenig zur Hand zu gehen. Nur Augenblicke später zog sie ihm das Shirt über den Kopf und zog ihn am Hosenbund näher, nur um die weite Jogginghose mit einer gleitenden Bewegung von seinen Hüften zu streifen. Damien stieg aus der Hose. Seine Brauen rundeten sich und ein Grinsen wuchs auf seinen Lippen als Emma seinen Bauch und seine Brust küsste. Man musste schon sagen, sowas machte ihn einfach an. Und wenn er wirklich ehrlich war, dann wusste er, dass er Emma hilflos ausgeliefert war, wenn sie es darauf anlegte. Ein Blick, eine Berührung, ein paar gesäuselte Worte und er würde wie ein kleiner Welpe hinter ihr her rennen und um seinen Knochen betteln. Das musste seine dunkelhaarige Freundin aber nicht wissen, sie würde es nur schamlos ausnützen.
Damien legte seine Hände erneut an ihre Hüften, zog Emma zu sich und drehte sich mit ihr, dass sie gegen den Tisch gelehnt stand. Dann beugte er sich nach vorne und drückte sie zurück, nur um mit dem Arm über ihre Schulter zu greifen und sich die Hose zu schnappen. „Danke, du Teufel.“, knurrte er leise, senkte seine Lippen für einen kurzen Kuss auf ihre Nasenspitze und richtete sich dann wieder auf, um sich die Jeans anzuziehen.

Damien schmunzelte belustigt, als er ihren Blick auf sich spürte. Ihre Augen folgten seinen Bewegungen, vom Hochziehen der Hose bis zum Schließen des Knopfes und irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, dass sie auf andere Gedanken kam. Aber Anziehen? Ehrlich? Vielleicht wäre er auch scharf geworden, hätte er sich selbst beobachtete, was aber eher unwahrscheinlich war und er zog Emma viel öfter aus als an. „Alles klar? Du weißt schon, wir gehen jagen.“ Amüsiert von ihrem Blick begann der Dunkelhaarige zu lachen, dann beugte er sich vor, nahm ihr Gesicht in eine Hand zu sie zu sich. „Aber danach gibt es noch so viel Dinge, die wir tun könnten …“ Den Rest ließ er offen, bevorzugte es stattdessen sie zu küssen und sie für ein paar winzige Augenblicke seine Eckzähne an der Unterlippe spüren zu lassen. Oftmals fiel es ihm viel zu schwer sich nicht fallen zu lassen. Ihre Beziehung war nicht unbedingt ausgeglichen sondern eher bettgeschichtenlastig. Für ihn war das aber nicht gleich immer das, was man normal darunter verstand. Es gab Tage oder Nächte, da fühlte Damien sich als würde er auf einem schmalen Pfad wandeln. Als würde er bei einer weiteren Berührung von Emma die Kontrolle verlieren und sich völlig auflösen. Das waren die Momente, in denen er ihr die Führung entzog, weil es in seinem Hinterkopf leise säuselte. Niemals die Macht verlieren. Hin und wieder war es umgekehrt. Da war es Emma, die mit einem Knurren die Dominanz zurückforderte und in solchen Momenten ließ er ihr sie.
Sanft entzog er ihr das Hemd, zog es sich über die Schultern und begann von unten weg die Knöpfe zu schließen. Dann war Damien fertig angezogen. Mit einem geübten Handgriff richtete er sich die Haare und schnappt sich noch den Gürtel, den er durch die Schlaufen zog und schloss, dann ließ er die Schultern kurz kreisen. „Komm. Lass uns abhauen.“

Es gab so viele Dinge die vielversprechend klangen, doch die waren schon vergessen. Die Jagd stand im Vordergrund. Damien hatte sein ganz spezielles System. Er präsentierte seine Macht gerne, ließ Menschen auch gerne spüren, dass sie so gut wie keine Chance hatten. Sein Blick folgte Emma, als sie aus dem Zimmer ging. Nach kurzem Zögern folgte er ihr, zog sich die Schuhe an und streifte sich die abgetragene Lederjacke über die Schultern. Draußen war es inzwischen schon wirklich dunkel geworden und der Atem verwandelte sich in weißen Dunst. Perfekte Verhältnisse um unerkannt in den dunklen Seitengassen nach Opfern zu suchen. Meistens waren es Kleinkriminelle, die ihm um diese Uhrzeit auffielen, oder er schnappte sich einen gewalttätigen Mann aus einer kleinen Wohnung. Alles so Dinge, die sie noch später besprechen konnten. Sie waren im Moment unwichtig.
Damien schloss die Türe der Wohnung hinter sich ab und ließ den Schlüssel in seine Hosentasche fallen. Er folgte Emma die Stufen hinunter bis zum Ausgang. Nur wenige Sekunden später standen sie im Freien. Die laue Nachtluft trieb Gänsehaut auf seinen Oberkörper. Der Ältere atmet tief durch, dann hoben sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln.
„Na, wohin willst du denn gehen?“